Projekt: Neubau des Nurflügelseglers Horten IV

Nicht zuletzt durch die großartige Rekonstruktion eines solchen Musters durch Peter Hanickel im Deutschen Museum in Oberschleißheim vor ein paar Jahren, ist dieses Muster wieder in den Brennpunkt des Interesses gerückt. Dieses komplexe Stück Technikgeschichte ist inzwischen in zahlreichen Veröffentlichungen behandelt worden und gut dokumentiert. Ich beschränke mich hier daher auf die Beschreibung des rein Bautechnischen.

Den Wunsch, diesen Segler einmal fliegend bestaunen zu können, trägt wohl so mancher mit sich herum. Es ist das Verdienst des unermüdlichen Prof em. Dipl- Ing. B. Ewald, der u. a. mit der Gründung der Felix-Kracht-Stiftung nun ein solches Projekt angeht. Dabei war im Vorfeld nicht immer klar, ob die Datenlage für einen originalgetreuen Neubau ausreichen würde. Dies ist aber inzwischen der Fall. Nachdem das Luftfahrt-Bundesamt die Verkehrszulassung eines Neubaus wohlwollend beurteilt hatte, hat die Stiftung Sponsoren gefunden, die ganz pragmatisch mit Materialien oder der zur Verfügung gestellten Arbeitsleistung eigener Lehrwerkstätten geholfen haben.

Der Zusammenbau unter Verwendung vieler schon anderswo gefertigter (und geprüfter) Teile sowie die CAD-Rekonstruktion und Dokumentation einiger nur als Foto überlieferter Beschläge soll nun hier erfolgen.

Zunächst muss eine stabile Helling gebaut werden, die den Holm und die Flügelnase aufnehmen soll. Mehr als bei konventionellen Holzkonstruktionen ist hier mit äußerster Genauigkeit zu verfahren, denn die exakte Einhaltung der Schränkung ist bei einem Nurflügel entscheidend über die späteren Flugeigenschaften. Die angelieferten Hauptholme sind im Außenbereich noch ohne Beplankung, Stege und Klötze, da zum Zeitpunkt des Baus noch ungeklärt war, wie die Trennbeschläge zum abnehmbaren Außenflügel beschaffen und befestigt waren. Die Fertigstellung des Holms kann nun erfolgen. Am anderen Ende sitzen die Hauptbeschläge und werden nun mit entsprechend ausgefrästen Verkleidungen verleimt. Der gesamte Holm wird daraufhin jeweils auf den Gurtseiten nach Plan auf Profilkontur gehobelt.

Jetzt werden die restlichen Holmbeschläge -wie die Außenflügelaufnahmen und die Bremsklappenarretierungen angepasst und vernietet. Außerdem sind die Holmentlüftungen anzubringen. Für die Schäftrippen müssen die Pappelbeileimer angefertigt werden. Die fertigen Schäftrippen werden dann mit Schränkungs- und Neigungslehren am Holm angepasst und anschließend verleimt.

Dann können die restlichen Nasenrippen angepasst und verleimt werden. Die Steuerung für den aufsteckbaren Außenflügel verläuft durch die Nase. Deshalb werden auch schon die Hilfsrippen mit den vernieteten Rollenführungen eingesetzt. Die Nasenleiste erhält vor dem einpassen noch den Außenflügel-Nasenanschlussbeschlag.

Das Straken der vorderen Flügelkontur erfordert durch die Schrägstellung der Rippen viel Mühe. Immer wieder wird auch hier die Schränkung und der Nasenradius mit Lehren kontrolliert.

Ein paar Eindrücke der fertig gestrakten Flügel...

...bevor es mit der Torsionsbeplankung weitergeht. Die besondere Torsionsbelastung beim Horten-Nurflügel sowie die starke Zuspitzung des Flügels machen eine ungewöhnliche Bauweise nötig. Die Beplankungsstärke wird nach außen größer. Die erforderlichen Sperrholzstärken lassen sich aber nicht zerstörungsfrei um die dort vorhandenen engen Nasenradien biegen. Die Lösung dieses Problems liegt in der Vorverleimung der Beplankungsfelder aus mehreren dünnen Lagen über Profilblöcke. Auch die dünnen Lagen müssen vorher natürlich einzeln gewässert und vorgebogen werden. Da bei diesem Lamellierverfahren extrem formstabile Halbzeuge entstehen, sind äußerst genau profilierte Formblöcke herzustellen. Dies ist unter Anwendung von CAD und entsprechenden Fräsmaschinen heute einfacher, wenn auch die Komplexität der Profilierung eine handwerkliche Nachbearbeitung erforderlich macht. Das Vorbiegen und Verleimen geschieht mit speziell für jeden Klotz hergestellten Pressjalousien. Auf dem letzten Bild der folgenden Reihe sieht man an dem passend zugeschnittenen, lose aufgelegten Beplankungsteil, wie genau die Passung beim späteren verleimen sein wird. Nachträglich drücken oder ziehen lässt sich im Nasenbereich -wie gesagt- nichts mehr.

Die fertig verleimten und besäumten Felder werden nun noch innenkonserviert und geschäftet. Die Anfertigung der Presszulagen für die Schäftungen und den Holm schließen die Vorbereitungen ab, so dass das eigentliche Beplanken zügig durchgeführt werden kann. Pausen sind dabei nicht drin, weil die Anschlussschäftung eines gerade verleimten Feldes erst mit dem jeweils nächsten Feld gepresst werden kann.

Nach dem Verputzen und Besäumen der Nasenbeplankung wird der Flügel nun umgekehrt -also mit der Flügelnase nach unten- in die Helling eingespannt und wieder genau justiert. Vorbereitend für den Aufbau des restlichen Flügels werden die Diagonalholme und Hilfsholme gefertigt, bevor der Zusammenbau beginnen kann. Auch hier werden wieder ständig die geforderten Schränkungswinkel an den verschiedenen Rippenpositionen kontrolliert. Der Querkraftbeschlag wird aus Gewichtsgründen mit Rohrnieten am Diagonalverband befestigt.

Jetzt werden die Bremsklappenholme gefertigt und eingebaut. Auch hier zahlt sich wieder die Erstellung des komplexen CAD-Modells des Flügels aus, da die äußere Formgebung und die exakte Position der Bremsklappenwellenbohrungen ohne "tüfteln" daraus hervorgeht. Neben Rippen einpassen stehen jetzt auch die Integration der Barografenfachwände im Diagonalverband, die Lamellierung des ausgewundenen Stücks der Endleiste sowie die Erweiterung des Hilfsholms bis zum Ruderanfang an.

Neben dem eigentlichen Bau stellen -wie eingangs erwähnt- vor allem die theoretischen Rekonstruktionsarbeiten immer wieder neue Herausforderungen dar. So galt es z.B., die zwei Meter langen, aufsteckbaren Außenflügel aus Leichtmetall originalgetreu und mit all ihren komplexen Funktionen zu rekonstruieren und festigkeitsmäßig nachzurechnen. Die Quellenlage war bei diesem Bauteil äußerst dürftig, denn originale Zeichnungen oder gar Originalbauteile existieren nicht mehr oder sind verschollen. Diese Aufgabe konnte dennoch gelöst werden. Die gegebene äußere Geometrie, alte Detailaufnahmen vom Bau des Originals und ein Messprotokoll über die Ruderausschläge von 1945 waren dabei sehr hilfreich. Eine weitere Verifikation bezüglich Originalität stellen paradoxerweise gerade die Komplexität und der Platzmangel innerhalb dieses Bauteils dar: Für viele Details ergab sich alternativlos die konstruktive Lösung von damals.

Im Flügelbau geht es nun mit den Endrippen vor den Rudern weiter. Dafür müssen noch die verstärkten Rippen hergestellt und an deren Enden die Rudergelenkbeschläge vernietet werden. Zusammen mit dem langen Hilfsholm werden dann alle Teile der Schränkung entsprechend angepasst und verleimt. In der komplexen gepfeilten Struktur sind einige Hilfsleisten und Klötze notwendig, um den Kraftfluss zu gewährleisten. Es folgt die Konservierung aller innen liegenden Teile und das Straken des nun beplankungsfertigen Flügels. Die drei letzten Bilder der folgenden Reihe lassen die große Komplexität der Konstruktion erahnen.

Nun geht es an die Beplankung des Tragflügels hinter dem Hauptholm. Für die Stabilität des Flügels hinter dem langen Bremsklappenschacht (2m!) und die Rollenführung der Steuerstangen ist das konstruktive Zusammenspiel von Endleiste, Hilfsholm, Beplankung und Hilfsleisten verantwortlich. Eine saubere Ausführung der Arbeiten ist hier daher mehr als bei anderen Segelflugzeugen erforderlich. Dies ist natürlich auch für eine wellenfreie Endleiste aus aerodynamischen Gründen von Vorteil.

Im weiteren Verlauf dieser Arbeiten werden dann die Flügel im Bereich zwischen Hauptholm und Ruderflächen komplett beplankt und die über den Hilfsholm hinausragende Ruderspaltabdeckung mit Dreiecksleisten verstärkt. Im offenen inneren Flügelbereich müssen die Rippen nun noch entsprechend der Beplankungsstärke aufgeleistet werden, um die exakte Flügelkontur zu gewährleisten. Nach dem Verputzen diverser Leimungen, der Ergänzung der Innenkonservierung und dem abschließenden Strakschliff sind die Tragflügel nun rohbaufertig und werden von der Helling genommen und zur Kontrolle gewogen...

Daneben werden jetzt auch die Hauptbremsklappen gebaut. Selbst diese (immerhin über 2m langen) Teile haben ihren eigenen ästhetischen Reiz.

Der nächste Vorrichtungsbau wird ausgeführt, um die Flügel mit der exakten V-Form und Pfeilung und dem genauen Abstand in ihre endgültige Position zueinander zu bringen. Dadurch wird die Rohbaumontage mit dem Rumpf ermöglicht. Als erstes werden die Hauptbeschläge am Rumpf so bearbeitet, dass sie leichtgängig in die Flügelbeschläge passen und die Bohrungen der korrekt ausgerichteten Bauteile fluchten. Danach werden Rumpf- und Flügelbeschläge zunächst wieder getrennt auf bestimmte Durchmesser aufgebohrt. Das Reiben auf das konische Endmaß passiert dann wieder im zusammengefügten Zustand.

Der zugelieferte Rumpf wies -vermutlich durch Interpretation der an sich guten Dokumentation des Rohrgerüsts- einige Bauungenauigkeiten auf, die sich auf die äußere Form, als auch auf die Steuermechanik auswirkten. Dies wird nun behoben.

Gleichzeitig werden die noch fehlenden Beschlagteile und Steuerstangen angefertigt.

Vor dem endgültigen Zusammenbau werden die Einzelteile nun mit dem Lackaufbau versehen. Dabei läßt sich die gute Demontierbarkeit der einzelnen Rumpfkomponenten demonstrieren.

Nach dem Zusammenbau mit allen Steuerkomponenten läßt sich die ungeheuer komplexe Struktur und die geniale Raumnutzung schon erahnen.

Die Federung der einziehbaren Vorderkufe wurde von einer ölgedämpften Luftfeder ausgeführt. Da dieses Element wegen seiner Größe und dem geringen Gewicht alternativlos zu heutigen Erzeugnissen ist, sollte sie originalgetreu nachgebaut werden. Dies hat sich jetzt erübrigt, denn es konnte ein überholungsfähiges Originalfederbein erworben werden!! Die dritte Abbildung unten zeigt das Originalfederbein neben einer Attrappe ohne funktionsfähiges Innenleben.

Nach den notwendig gewordenen Schweißarbeiten (s.o.) geht es weiter mit der Lackierung des hinteren Rumpfteils und dem Anbau der Steuerkomponenten. Unter anderem werden vorn die Käfige für die Schleppkupplungen ergänzt, die Gurtverstellung angebaut und im hinteren Rumpfbereich die Pedale und das Haubenschloss mit dem Abwurfmechanismus endgültig montiert.

Die vordere Kufe ist einziehbar ausgeführt. Um ein handkraftfreies Ein- und Ausfahren zu gewährleisten, übernimmt ein Gummizug diese Lasten. Zur Erleichterung der -besonders beim Nurflügel erforderlichen- exakten Schwerpunktvermessung werden an der Holmbrücke und der hinteren Kufenaufnahme die Aufbockpunkte montiert. Diese werden auch zur Befestigung am Rumpfwagen des Transportanhängers genutzt. Als eine der letzten Metallarbeiten am Rumpfgerüst erfolgt nun der Bau der Instrumentenbretter.

Um die Holzbeplankung am Rumpf befestigen zu können, werden zunächst Sperrholzverbinder mit dem Rohrgerüst vernietet. Die vorgebogenen und lamellierten Auflagerippen werden dann damit verleimt.

Nach und nach können jetzt auch alle anderen Beileimer und Zwischenrippen angepasst und untereinander verbunden werden. Dabei wird die Verbindung zum Rumpfgerüst, wie beim Original, mit Metall-Wickelschellen ausgeführt. Vor dem Beplanken muss nun der Flügel-Rumpf-Übergang genau angepasst werden.

Das weitere Beplanken geschieht in der dargestellten Reihenfolge. Die oberen Beplankungsstreifen müssen wegen der starken Wölbung im Bereich der Nasenleiste vorher noch gewässert und vorgebogen werden. Nach dem Verputzen der überstehenden Ränder kann aufgerüstet werden, um das Spaltmaß zwischen Flügel und Rumpf zu kontrollieren.

Nun wird dem unteren Rumpfteil, dem Kufenkasten, Aufmerksamkeit zuteil. Unter anderem werden hier noch fehlende Beschläge zur Seitenrudersteuerung ergänzt, die Kufe mit den Beschlägen vernietet und alles fertig justiert. Auch fehlen noch die Schnelltrennstellen der Steuerung zwischen Rumpf und Flügel, die nach Zeichnung andernorts gefertigt werden.

In der Zwischenzeit werden die Beschläge zur Anpassung der Polsterauflagen an verschiedene Pilotengrößen hergestellt und montiert. Auch die Kufenkastenverkleidungen müssen noch angepasst, grundiert und lackiert werden. Nach der endgültigen Montage dieser Teile sieht der Rumpf schon sehr nach "Horten" aus...

Die kompliziert geformten Blechteile der weiteren Rumpfverkleidung und der Pilotenabdeckung entstehen erst ganz konventionell als Pappschablonen. Die Teile der Pilotenabdeckung werden mit ca. 300 Nieten verbunden.

Die Anpassung und Anbringung der geschraubten Plexiglasformstücke macht die äußere Form des Rumpfes komplett.

Nun geht es mit Bespannarbeiten und der Ergänzung der Anhängereinbauten weiter. Nach der extern erfolgten Flügellackierung in Bamberg geht es dann zu einer ersten Präsentation des (fast) fertigen Seglers auf die Wasserkuppe.

Zurück in der Werkstatt, werden die noch fehlenden Außenflügel in Angriff genommen. Nach dem Holm- und Rippenbau für die Außenruder müssen Vorrichtungen zum verzugsfreien Verleimen der Frise-Torsionsnase angefertigt werden. Dann werden die Endrippen und die Endleiste auf der Helling angepasst und verleimt. Nach dem beidseitigen Aufbringen der Rippenecken und Beplankungsfelder sind die Ruder bespannfertig.

Die bereits vor einiger Zeit gebauten Hauptbremsklappen werden nun noch, zusammen mit den Federbolzenhaltern, mit den entsprechenden Löchern versehen. Nachdem auch die Abschlussbleche mit den Federbolzenhaltern vernietet sind, können die kompletten Bremsklappen mit Federn montiert und eingebaut werden. Die durch diese aufwendige Bauweise entstandene Spaltdichtigkeit und Passform wurde erst viel später in modernen Konstruktionen wieder erreicht.

Eine Besonderheit der Horten IV stellen ihre bei Segelflugzeugen bis heute ungewöhnlichen acht Steuerungs-Schnelltrennstellen dar. Aus Gründen der besseren Zugänglichkeit und der Einfachheit in der Handhabung wird die Steuerung am Rumpf-Flügel-Übergang bei der Demontage nicht an den Dreh- oder Gelenkpunkten getrennt, sondern in den Steuerstangen selbst (siehe erstes Bild unten). Der Nachteil aus wirtschaftlicher Sicht liegt sicher in der aufwändigen Herstellung mit Dreh- und Fräsarbeiten. Die weiteren Bilder der Reihe unten zeigen die Herstellung der Flügelsteuerstangen mit Verdrehsicherung für die beiden Inneren Quer-/ Höhenruder und den Einbau in den Flügel. Die Vernietung des Doppelgelenkkopfs mit den Stangen erfolgt im Flügel durch die Montagelöcher.

Das überholte Original-Luftfederbein konnte inzwischen auch montiert und befüllt werden:

Der an anderer Stelle gefertigte aufsteckbare Außenflügel muss nun vor dem weiteren Zusammenbau am Hauptflügel angepasst werden. Auch hier wird nochmal deutlich, wie unglaublich viele Beschläge angefertigt, lackiert, angepasst und zusammengebaut werden müssen.

Der Massenausgleich der Ruder und deren Einbau in die Flügel schließt die äußeren Arbeiten an der Zelle ab. Das fertige Flugzeug wird nun noch zur Einstellung und Kontrolle der Ruderausschläge aufgerüstet.

(aktualisiert am 18.02.2013)

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